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Umfangeiche Ausstellung in der Stadtbücherei

Bis zum 14.06.25 zu den normalen Öffnungszeiten zu sehen

Menschen in der Ausstellung
Besucher in der Ausstellung vor Schautafeln
Las aus seinem Buch: Reiner Silberstein
Historische Bilder wurden gezeigt
Menschen in der Ausstellung
Interessierte Besucher bei der Ausstellung

80 Jahre Kriegsende in Gifhorn

Weltweit wird dieser Tage an das Ende des 2. Weltkriegs erinnert - aber wie war das vor 80 Jahren bei uns – außerhalb von Großstädten wie Berlin und Hamburg? Eine Ausstellung in der Stadtbücherei informiert über diese Zeit in Gifhorn. Über das letzte Gefecht dreier Soldaten in Kästorf, über den harten Winter mit Hunger und Entbehrungen danach, aber auch über den Beginn der Demokratie selbst auf kleinster Ebene nach 1945.

Ausschnitte der Ausstellung, die bis zum 14. Juni in der Stadtbücherei zu sehen ist, konnte man schon am Tag der Erinnerung am 11. April auf dem Marktplatz sehen. Aber die Ausstellung zeigt noch ganz viele andere Blickrichtungen, Erlebnisse, Zeitzeugenberichte und viele Dokumente jener Zeit. Katharina Gries und Dr. Steffen Meyer von der Dachstiftung Diakonie, Stadtarchivarin Heike Klaus-Nelles und Bernhard Schürmann sowie die stellvertretende Büchereileiterin Sandra Langner haben zu verschiedenen Themengebieten in Chroniken, Dokumenten und Zeitungberichten jener Zeit recherchiert und eine bemerkenswerte Ausstellung konzipiert. die bis 14. Juni dienstags bis samstags zu den Öffnungszeiten zu sehen ist.

Burkhard Ohse schreibt in der Gifhorner Rundschau: „Es geht nicht nur um den Einmarsch amerikanischer Soldaten in die Stadt am 11. April, sondern auch um die Todesopfer in dieser Zeit, die Bombardierung des Gifhorner Stadtbahnhofs und die damaligen Zwangsarbeiter, die durch das Methanol-Unglück ums Leben kamen. Auch Chroniken aus Gamsen und Kästorf wurden zu Rate gezogen, um den kommunalen Neuanfang nach dem Krieg zu dokumentieren, nachdem am 28. Mai 1945 die Amerikaner den Briten die Stadt übergeben hatten.“

 „Die ersten Gemeindesauschusswahlen Ende 1945 und die ersten Gemeinderats- und Kreistagswahlen waren etwas Besonderes“, sagt Klaus-Nelles. Es gibt ganz verschiedene Aspekte in der Ausstellung. So stieg die Einwohnerzahl durch Flucht und Vertreibungvon 5.000 (1933) auf über 10.000 an – es fehlt an allem – besonders an Wohnraum und Lebensmitteln – dazu noch im harten Winter 1945/46 in dem Lebensmittel zugeteilt werden mussten (800 Kalorien/Tag), es Schulspeisungen und die Volksküche gab sowie die  Kleidungsstücke ein teures Gut waren. Von Brennstoffen gar nicht zu reden. Das alles wurde aus verschiedenen Archiven herausgefiltert – und einem Buch von BZ-Redakteur Reiner Silberstein zum Kriegsende, das leider vergriffen ist – aus dem Bücherei-Exemplar liest der Autor zum Auftakt.  

Auch die Ereignisse in den damaligen Kästorfer Anstalten geben manchen überraschenden Einblick in das Leben jener Zeit. Wie erlebten das damalige dort lebende Jugendliche, wie italienische Internierte? Wie war ds rund um das Christinenstift, das als Heimkehrerheim diente? Eine damals jugendliche Zeitzeugin, Katharina Kolberg, ist heute Historikerin in Hannover.

Dem Aufruf nach weiteren Dokumenten und Zeitzeugenberichten war Familie Sawall aus Müden gefolgt. Ihr Bericht über die Flucht der Großeltern aus Bessarabien über Westpreußen bis nach Müden ist ebenfalls Bestandteil der Ausstellung.

Ergänzt werden die Schautafeln mit einer Vitrine, in der ein Original Care-Paket sowie verschiedene Bezugsmarken gezeigt werden. 

Im Lesesaal haben BesucherInnen die Möglichkeit, in Zeitungsartikeln, Aufsätzen und Erinnerungen zu blättern.  

Die Ausstellung beginnt im Erdgeschoss der Stadtbücherei und führt über das 1. Obergeschoss und den Lesesaal bis ins 2. Obergeschoss. Zu sehen ist sie bis zum 14.06.2025 während der Öffnungszeiten der Stadtbücherei dienstags bis freitags, 10 bis 18 Uhr und samstags, 10 bis 13 Uhr. Weiterführende Schulen haben die Möglichkeit, sich für Führungen anzumelden.

Gesucht werden aber auch weiterhin noch Fotos, Dokumente, Unterlagen, Tagebücher und Erinnerungen aus privater Hand.

Bei der Eröffnung durch Bürgermeister Matthias Nerlich kamen zahlreiche Bürgerinnen und Bürger. Er betonte, wie wichtig das Erinnern an die Geschehnisse der damaligen Zeit sei.

Nach einem ersten Rundgang durch die Ausstellung las Reiner Silberstein aus seinem Buch „Kriegsende: Das Gifhorner Tagebuch 1945“ und ergänzte seinen Vortrag mit bisher nicht veröffentlichten Zeitzeugenberichten.  Dabei zeigte er zahlreiche Fotos und verdeutlichte so die Situation der Gifhorner Bevölkerung zum Kriegsende.

Schwerpunkte:

I. EINMARSCH DER US-TRUPPEN IN GIFHORN AM 11. APRIL 1945

Am 9./10. April 1945 erreichten die US-Truppen den Landkreis Gifhorn.

TODESOPFER AM 11. APRIL 1945

Die Einnahme der Stadt erfolgte fast kampflos, dennoch starben an diesen Tag mehrere Personen. Im Sterbebuch der Stadt Gifhorn und der Gemeinde Gamsen sowie im Kirchenbuch der St. Nicolai-Kirche sind unter dem Datum 11. April 1945 insgesamt achtTodesfälle in Zusammenhang mit dem Einmarsch der Alliierten dokumentiert.

II. KRIEGSOPFER IN GIFHORN

BOMBARDIERUNG BAHNHOF GIFHORN-STADT

METHYLALKOHOLUNGLÜCK AM 24. APRIL 1945

III. WILHELM THOMAS WIRD POLIZEICHEF UND SPÄTER LANDRAT

AUSZÜGE AUS DEN ERINNERUNGEN VON WILHELM THOMAS

CHRONIK DER EREIGNISSE 1945/1946

1945

4. bis 10. April:

Luftangriffe auf den Fliegerhorst in Wesendorf in drei Angriffswellen mit 82

Toten.

8. April:

Bombardierung des Bahnhofs Gifhorn-Stadt und der umliegenden Oldaustraße

durch einen Fliegerangriff, 18 Bomben fallen, 11 Menschen kommen

ums Leben.

9. April:

Die Alliierten erreichen den Landkreis Gifhorn. Am Bahnhof Meinersen-Ohof kommen 600

Häftlinge aus dem Außenlager Dora-Mittelbau an auf dem Todesmarsch nach Bergen-Belsen.

Die Gifhorner Schulen werden geschlossen

10. April:

Verbrennung von Akten der Parteidienststelle auf dem Rathaushof.

Kreisleiter Ernst Lütge und Gifhorner Volkssturmführer Lütgemann flüchten, der

Reichsarbeitsdienst setzt sich ab.

Der Bahnhof Gifhorn-Isenbüttel wird bombardiert, dabei geht ein Munitionszug in Flammen

auf.

Die Gifhorner Stadtverwaltung lässt Schilder mit „Hitlerstraße“ entfernen.

Transporte mit Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter fahren durch die Stadt, davon werden

hunderte Menschen in der Viehmarkthalle untergebracht, einige versterben aus

Erschöpfung.

Reste der deutschen Soldaten ziehen sich über die Lüneburger und Celler Straße zurück.

11. April:

Einmarsch der US-Amerikaner in Gifhorn, Gamsen und Kästorf, acht Personen kommen

dabei ums Leben. Besetzung des Gifhorner Postamtes durch amerikanische

Nachrichtentruppen.

Fünfstündiger Beschuss von Westerbeck durch das 47. US-Panzergrenadierbataillon mit 2

Toten und vielen Verletzen. 22 Gebäude werden zerstört und 59 beschädigt.

12. April:

Einquartierung der amerikanischen Truppen. Viele Gifhorner Bewohner müssen ihre Häuser

räumen und bei Verwandten oder Bekannten unterkommen.

Berichte über Plünderungen, Diebstähle, Überfälle und Vergewaltigungen.

13. April:

Ausstellung Kriegsende 1945 in Gifhorn

Einmarsch der US-Amerikaner in Wilsche.

Letzte Bombardierung Gifhorns mit zahlreichen Toten und Verletzten.

16. April:

Ernennung von Wilhelm Thomas zum Polizei-Chef durch die US-Militärregierung.

20. April:

Die Geschäfte in Gifhorn öffnen für Zivilpersonen. Verkauf erfolgt weiterhin mit

Lebensmittel- und Bezugsmarken.

24. April:

Methylalkoholunglück mit über 400 Toten am Bahnhof Gifhorn-Isenbüttel.

8. Mai:

Die Ausgehzeiten werden auf 5 Uhr morgens bis 21 Uhr abends festgesetzt.

12. Mai:

Ernennung Wilhelm Thomas zum vorläufigen Landrat, Landkreis Gifhorn.

28. Mai, 13 Uhr:

Die Stadt Gifhorn wird Teil der britischen Besatzungszone unter den kommandoführenden

Besatzungsoffizieren Oberst Britten und Birt.

Mai / Juni:

Die Schulen in den Ortsteilen werden geschlossen und die Schulkinder am Vormittag zu

Aufräumungsarbeiten auf öffentlichen Plätzen oder zum Sammeln von Heilkräutern und

Beeren herangezogen. Die Lehrer werden auf ihre politische Vergangenheit hin überprüft.

Beginn Wiederaufbau von Betrieben, Erlaubnisscheine für die Konservenfabrik, Molkerei,

Glashütte, Erdölbetriebe, Torfwerke und sieben andere Betriebe werden erteilt.

15. September:

Zulassung Gründung von neuen Parteien auf Kreisebene.

20. September: Aufhebung von zahlreichen namentlich aufgeführte Ausnahmegesetze

des nationalsozialistischen Regimes, einschließlich aller zusätzlichen Gesetze durch das

Kontrollratsgesetz Nr. 1.

30. September:

Anordnung einer Zwangssammlung von Kleidern, Schuhen und Wäsche für die

Heimatvertriebenen / Flüchtlinge aus dem Osten durch den Landrat.

3. Oktober: Schulbeginn in Gamsen

16. Oktober: Eingeschränkter Schulbeginn in den Gifhorner Schulen

12. November: Offizielle Wiedereröffnung der Volks- und Mittelschule in Gifhorn.

16. Dezember:

Besondere Beachtung erfährt der Landkreis Gifhorn durch die sehr frühe Durchführung der

Wahl der Gemeindeausschüsse durch eine parteilose direkte Personenwahl

Ausstellung Kriegsende 1945 in Gifhorn

18. Dezember: Verfassung und stehende Regeln der Gemeindeausschüsse im Kreise Gifhorn

treten in Kraft.

20. Dezember: Die britische Militärregierung bewirtet ca. 200 Schulkinder mit Kakao,

Kuchen, Gebäck, belegten Broten und Schokolade

1946

1. April:

Die Verordnung Nr. 21, die sog. „revidierte Deutsche Gemeindeordnung“ tritt in der

britischen Besatzungszone in Kraft. Sie legt die gesamte Verwaltung der Gemeinde in die

Hand des vom Volk gewählten Rates. Dem ehrenamtlichen Bürgermeister obliegt die

repräsentative Vertretung der Kommune, während der vom Rat berufene Gemeindedirektor

(bzw. Stadt- oder Oberstadtdirektor) hauptamtlich die Verwaltung leitet.

15. September:

Erste Gemeinderatswahlen in der Kreisstadt Gifhorn und den umliegenden Gemeinden unter

der britischen Militärregierung.

13. Oktober: Kreistagswahlen im Landkreis Gifhorn

1. bis 8. November:

Gründung Land „Niedersachsen“ mit der Verordnung Nr. 55 mit der Hauptstadt Hannover.

Oldenburg und Braunschweig treten als Verwaltungsbezirke neben die hannoverschen

Regierungsbezirke Aurich, Hannover, Hildesheim, Lüneburg, Osnabrück und Stade;

Schaumburg-Lippe bildet einen Landkreis im Regierungsbezirk Hannover.

Quellen Chronik:

Silberstein, Reiner: Kriegsende – Das Gifhorner Tagebuch 1945.

Dröge G./Gabriel H.: Gifhorner Ansichten Bd. 6 (S. 80-86 ) und Bd. 11 (S.200-204).

Thomas, Wilhelm: Ein neuer Anfang. In: Kreiskalender Gifhorn-Isenhagen – Ein Heimatbuch für das Jahr 1963,

S. 68-72.

Gamsen – Ein Dorf erzählt seine Geschichte. S. 210 ff.

Kästorf – Geschichte unseres Dorfes, S. 221 ff

Stadtarchiv Gifhorn: R-10/2, D-8/7, D-11/4-6, D-11/21-24, Nachlass W. Thomas.

Kreisarchiv Gifhorn: Bekanntmachungsblatt für den Kreis Gifhorn, ab 1.März 1946 ff.

www.niedersachsen.de/75-Jahre-Niedersachsen/75-jahre-niedersachsen-ein-uberblick-199653.html,

abgerufen am 17.3.2025.

de.wikipedia.org/wiki/Kontrollratsgesetz_Nr._1_betreffend_die_Aufhebung_von_NS-Recht

zusammengestellt von H. Klaus-Nelles /3/2025

 

Radiobericht zur Ausstellung bei Radio Okerwelle



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